Interview: „Es ist nicht zu vertreten, dass es solche börsennotierten Vermietungskonzerne überhaupt gibt.“

Redigierte Verschriftlichung des Interviews mit Knut Unger bei Radio Dreyeckland, Freitag, 15. November 2019 – 9:45

Die Vonovia hat dem MieterInnenverein Witten in einem Schreiben mitgeteilt, die „Zusammenarbeit“ mit deren Sprecher Knut Unger einzustellen und sich ein „rechtliches Vorgehen“ gegen ihn vorbehalten. Dabei bezieht sie sich auf ein Interview mit dem Freiburger „radio dreyeckland“, in dem Unger im Zusammenhang mit Nebenkosten-Abrechnungen von „Fälschungen“ gesprochen haben soll. Knut Unger, der auch Mitglied der Plattform kritischer Immobilien-aktionär*innen ist, hat das mündlich Interview überarbeitet und mit erläuternden Anmerkungen versehen.

radio dreyeckland: Die Vonovia ist das größte deutsche Wohnungsunternehmen mit ca. 3000 Wohnungen in Freiburg. Nicht zuletzt durch den Legionellen Skandal im Auggener Weg in Weingarten ist die Vonovia auch in Freiburg als Vermieter verrufen. Doch was kann man gegen die Vonovia tun? Darüber und über die Geschäftspraktiken von Vonovia wird am Mittwoch den 20. November im Forum Weingarten Knut Unger vom MieterInnenverein Witten sprechen. Er ist auch kritischer Aktionär bei der Vonovia. Wir haben mit ihm über die Vonovia gesprochen.

Frage: Bekannteste Einnahmequelle der Vonovia waren zuletzt die Mietsteigerungen nach Modernisierung. Hier gab es ja die Ankündigung, zumindest teure Modernisierungen nicht mehr machen zu wollen.[i] Was ist aktuell der Hauptrenditebringer bei der Vonovia?

Knut Unger: Das sind neben Mieterhöhungen die Umschichtungen des Wohnungsbesitzes. Wohnungen, die wenig bringen, werden verkauft. Andere Wohnungen in Schweden werden dazu gekauft. Das steigert die Mieteinnahmen. Bei den Mietsteigerungen im Wohnungsbestand sind die Wiedervermietungen wichtig, weil man mehr Miete verlangen kann, wenn man leere Wohnungen vermietet. Aber ganz wichtig sind auch weiterhin die Modernisierungen. Von den 4 Prozent  Mietsteigerung im Bestand gehen 2,5 Prozent auf das Konto der Mieterhöhungen nach Modernisierung.[ii]

Frage: Und in Sachen Digitalisierung sieht die Vonovia auch ein neues Einnahmefeld. Oder?

Knut Unger: Ja. Die internen Geschäftsabläufe sind digitalisiert. Damit versucht man Kosten zu sparen. Und es gibt Versuche, weiter etwas zu entwickeln, zum Beispiel im Bereich Kabelanbieter. Insgesamt ist das quantitativ aber nicht so relevant wie die Mieterhöhungen nach Modernisierung.

Frage: Vonovia-MieterInnen sind also weiterhin mit Mietsteigerung nach Modernisierung konfrontiert. Der Mieterinnenverein Witten hat aufgrund von drastischen Mietsteigerungen von der Vonovia gefordert, dass die Kosten der Maßnahmen transparent gemacht werden sollen. Was kam denn da heraus?

Knut Unger: Wir sind noch dabei, die Belege der Baukosten für die Modernisierungsmaßnahmen zu prüfen. Da hat ja der Mieter einen Anspruch drauf. Es dürfen zurzeit 8 Prozent der Baukosten, die für die Modernisierung angefallen sind, auf die Mieten umgelegt werden. Das muss der Mieter überprüfen können anhand der Rechnungen. Und das wollen wir jetzt auch tatsächlich ganz genau wissen.

Normalerwiese schicken sie als Beleg irgendwelche Paketchen zu. Aber jetzt haben sie darauf bestanden, dass wir uns die Belege in ihrem Hause ansehen müssen. Das haben wir auch getan. Sie haben uns 22 Leitzordner dahin gestellt, durch die wir uns jetzt durcharbeiten müssen. Es waren nun schon zwei Tage, an denen wir gesichtet und erfasst haben.[iii] Es ist ganz klar, dass wesentliche Dinge fehlen. Erstmal sind es gar nicht die Originalbelege.[iv]  Die wollen wir aber sehen, wenn wir schon mal da antanzen.  Und dann fehlen ganz wichtige Dinge, wie zum Beispiel die Nachweise der Baunebenkosten. Dazu haben sie angeblich Architektenverträge.[v]  Aber es handelt sich um interne Architekten – und Ingenieursleistungen, die sie ohne näheren Nachweis[vi] auf die Kosten aufschlagen. Und da verdienen sie dran.[vii] Teilweise wird das auch doppelt berechnet.[viii] Ein ganz wesentliches Problem ist, dass große Teile dieser Maßnahmen intern, innerhalb des Konzerns, von einer Firma an die andere berechnet werden.[ix] Das ist völlig undurchsichtig, weil es auch pausenlos neue Firmen gibt[x] oder die Firmen ihre Namen ändern. Wir wissen nicht, was die kompletten[xi] tatsächlichen Kosten sind, die dem Konzern von Handwerkern, von Subunternehmen oder für angekaufte Produkte berechnet wurden.

Frage: Und wenn man jetzt nachweisen könnte, dass die Kosten für Vonovia nicht so hoch waren. Dann könnte man auch Einspruch gegen die Höhe der Mieterhöhungen einlegen?

Knut Unger: Da muss man keinen Einspruch einlegen, die Modernisierungsmiete ist dann einfach niedriger.  Bei der Modernisierung ist es so: Entweder sind die Kosten angefallen oder sie sind nicht angefallen. Und wenn die Kosten nicht angefallen sind, ist die Mieterhöhung insoweit unberechtigt. Wir sind aber im Moment in der Situation, dass wir sagen, wir, die Mieter, halten die Mieterhöhung zurück, weil wir noch gar nicht prüfen können, ob die Mieterhöhung denn stimmt.

Frage: Die Modernisierungskosten der Vonovia transparent machen. Damit sind wir schon bei einer Widerstandsmöglichkeit gegen die Vonovia. Das wäre dann wahrscheinlich auch bei den immer wieder undurchsichtigen Nebenkostenabrechnungen angesagt, hier Transparenz einzufordern. Oder?

Knut Unger: Ja, ja, natürlich, das hat man halt jedes Jahr. Bei der Modernisierung hat man heftige Mieterhöhungen, das geht bei uns bis 40 Prozent, und das ist dann manchmal schon existenziell. Deshalb ist es besonders wichtig[xii], hier Transparenz zu haben. Aber die Nebenkostenabrechnungen kommen jedes Jahr und betreffen alle Mieter. Ich kenne keine Nebenkostenabrechnung, die man akzeptieren sollte. Da sind überall Fehler drin. Und das liegt auch daran, dass immer höhere Teile der Nebenkostenpositionen, die da berechnet werden, Kosten sind, die sich der Vermieter praktisch selbst aufschreibt.[xiii] Das läuft genauso wie bei den Modernisierungen. Es gibt riesige Pakete von Computerausdrucken, mit denen sie diese angeblichen Kosten nachweisen wollen. Man hat aber keinen Beleg darüber, dass diese tatsächlich angefallen sind.

Wenn die Mieter sich aufschreiben, wann der Winterdienst da war und sie vergleichen das hinterher mit den Protokollen, dann sehen sie eventuell[xiv], dass die allermeisten Einsätze gar nicht stattgefunden haben und nicht stattgefunden haben können[xv] . Und dann schickt die Vonovia irgendwann für die verschiedenen Wohnanlagen Nachweise und Protokolle, wann diese Einsätze gewesen sind. Demnach sind in verschiedenen Stadtteilen in der gleichen Minute und am selben Tag diese Winterdiensteinsätze gewesen[xvi]. Da traut man erst mal seinen Augen nicht, und dann denkt man sich[xvii]: Nicht mal beim Fälschen dieser Belege scheinen sie sich Mühe zu geben.

RDL: Oftmals weigert sich die Vonovia ja auch, hier überhaupt Beleg vorzulegen. Gibt es hier denn juristische Erfolge, auf die man aufbauen kann?

Frage: Das machen vielleicht andere Vermieter, und es geschieht an anderen Orten.[xviii] Soweit ich weiß, hat die Vonovia aber ein einheitliches Schema, Nebenkostenabrechnungen vorzulegen. Auch für die nächste Stufe.[xix] Sie nutzt ein automatisiertes Verfahren, mit dem sie, jedenfalls oberflächlich, dem Recht des Mieters auf Belegeinsicht nahekommt.[xx] Problem ist, dass sie so gut aufgestellt sind und sich so viel Mühe geben dabei, diese Belege zu produzieren[xxi], für ihre eigenen Interessen, dass es ein wenig aufwendiger wird, dem auf die Schliche zu kommen. Das ist eben eine ganze Fabrik von Beleganfertigungen, die man da überprüfen muss.[xxii]  Dazu hat man aber Möglichkeiten. Man muss immer davon ausgehen, dass die Kosten, die tatsächlich angefallen sind, belegt werden müssen. Und dass man neben diesen tatsächlichen Rechnungen auch die ganzen Vertragswerke einsehen muss. Und wenn ich die Rechnungen nicht prüfen kann, wenn ich nicht vom Entstehungsort dieser Kosten bis zur Umlage auf den einzelnen Mieter den Rechenweg nachvollziehen kann, dann ist die Abrechnung nicht prüffähig, und dann kann ich die Kosten zurückbehalten.

Frage: Ich hatte es eingangs gesagt. Du bist auch kritischer Aktionär bei der Vonovia. Größter Anteilseigner ist die berüchtigte Fondsgesellschaft Blackrock. Kann man die Vonovia mit ein paar kritischen Aktionären wirklich nerven?

Knut Unger: Nerven schon, aber das lässt sich natürlich damit nicht verändern. Da geht es um ganz andere Zusammenhänge. Aber man stellt zusätzlich Öffentlichkeit her und versucht zu verstehen, was auf der Ebene der Gesamtstrategie dieses Konzerns eigentlich passiert. Das macht man sonst vielleicht nicht, und man ist dann immer nur auf der Ebene der lokalen Konflikte unterwegs. Das versuchen wir anders zu machen. Bei der letzten Aktionärsversammlung war es so, dass der Chef Buch eigentlich die meiste Zeit eine Rechtfertigungsrede gehalten hat. Normalerweise wird bei den Aktionärsversammlungen den Aktionären erzählt, wie gut die Geschäfte laufen. Aber hier war es dann ein bisschen wie eine Mieterversammlung, bei der sich der Chef des Unternehmens für seine Mieterhöhungen rechtfertigen muss.

Farge: In Freiburg wurden jetzt kürzlich Unterschriften bei Vonovia-Häusern im Augener Weg in Weingarten gesammelt, um ein Instandsetzungsgebot durchzusetzen. Letztlich soll es bei der Veranstaltung am Mittwoch auch Raum zum Austausch geben, um eine Vernetzung der Vonovia Mieter in die Wege zu leiten. Als Frage an jemand, der sich schon lange mit der Vonovia beschäftigt: Was bringen solche Mieterzusammenschlüsse bei der Vonovia? Sind die nicht letztlich doch hilflos?

Knut Unger: Man muss sich auf jeden Fall zusammenschließen, denn sonst ist jeder allein mit seiner Nebenkostenabrechnung und muss sich da durchwühlen. Man muss sich zusammenschließen, in Mieterorganisationen und auch im Quartier. Dann kann man viel mehr Dinge herausfinden und viel mehr verhindern. Die Vonovia macht auch Zugeständnisse. Es ist ja nicht so, dass die kein Geld hätten. Die Vonovia macht hohe Gewinne und hat damit auch ein Potenzial, auf lokale Widerstände zu reagieren. Man kann Mieterhöhungen verhindern, zum Teil, wenn der Widerstand gut ist. Oder man kann bestimmte Korrekturen an den Nebenkostenabrechnungen erreichen. In vielen Fällen klagt die Vonovia eine Forderung auch einfach nicht ein. Man zahlt bestimmte Beträge nicht, zum Beispiel den Hauswart, der nicht belegt ist. Und dann passiert meistens einfach nichts.  Das ist so das normale Verhalten. Aber auch für diese Zurückbehaltung von Forderungen muss man sich Mut machen und wissen, welche juristischen Rechte man hat.

Wenn man sich zusammenschließt, kann man sehr viel mehr Informationen zusammenstellen, und man kann die Vonovia unter Druck setzen. Allerdings: Den Konzern als Ganzes dazu zu bringen seine Geschäftspraxis zu ändern, dazu muss man sich sehr viel breiter und politischer zusammenschließen. Da reicht nicht der einzelne Standort. Auch das ist aber ansatzweise passiert und hat ja dazu geführt, dass die Vonovia Ende des letzten Jahres immerhin ihr Modernisierungsprogramm verändern musste. Dazu hat auch eine Gesetzesänderung beigetragen. Sie machen keine Modernisierung mehr, die zu mehr als 2 Euro pro Quadratmeter Mieterhöhung führt.

Farge: Abschließend: Eine Forderung, die immer wieder zu hören ist: Vergesellschaften. Auch bei der Vonovia eine irgendwie realistische Perspektive?

„Realistisch“ weiß ich nicht. Aber naheliegend oder notwendig, wenn man sieht, dass ein Drittel der Mieteinnahmen nur für die Dividende aufgebracht werden. Von jedem Euro Miete fließen 30 Cent in die Dividendenauszahlungen und dann noch mal, denke ich, mindesten 20 Cent in die Erhöhung der Mieten, also in die Modernisierungen oder andere Investitionen, zum Beispiel Aufkäufe, die dazu dienen, die Mieteinnahmen zu steigern. Die Kosten der Bewirtschaftung sind nicht einmal die Hälfte der Miete. Daran sieht man, was es für ein Irrwitz ist, dass man zulässt, dass diese börsennotierten Wohnungsunternehmen das Einkommen von Leuten, die es nicht dicke haben, abschöpfen. Das kann man als Gesellschaft eigentlich nicht zulassen.

Und deshalb ist es nicht zu vertreten, dass es solche börsennotierten Vermietungskonzerne überhaupt gibt. Die gehören natürlich in gesellschaftliches Eigentum. Nur der Weg dahin, wie man das erreicht, der realistische Weg, das ist dann noch einmal eine andere Frage. Geht das alles auf einen Schlag? Wo hat man dafür die Mehrheitsverhältnisse? Es entstehen auch ganz viele Folgeprobleme, die man lösen muss. Oder macht man das schrittwiese, indem man die Anforderungen an die Geschäfte dieser Unternahmen deutlich verschärft? Also zum Beispiel die Anforderungen an den Beleg der Nebenkosten, damit sie die nicht innerhalb des Konzerns berechnen können, sondern das als treuhänderische Aufgabe haben, bei der eindeutig ist, dass sie mit den Nebenkosten keinen Gewinn machen dürfen. So etwas haben wir bislang nicht. Oder ein Mietendeckel, der sich auch auf die Modernisierungen und die Modernisierungsmieterhöhungen auswirkt. Das greift direkt in die Geschäftsmodelle ein und hat auch schon dazu geführt hat, dass die Aktienkurse reagieren.

radio dreyeckland: Das sagt Knut Unger vom MieterInnenverein Witten. Er beschäftigt sich schon lange mit der Vonovia, ist kritischer Aktionär beim größten deutschen Wohnungsunterahmen, mit ca. 3000 Wohnungen in Freiburg und hält am Mittwoch, dem 20. November im Forum Weingarten einen Vortrag zu den Geschäftspraktiken und Widerstandsmöglichkeiten bei Vonovia.


ANMERKUNGEN

[i] Am 6. Dezember 2018. Siehe Vonovia S.E.: Ergebnis zum 30. September 2018, unter: www.vonovia.de/ueber-vonovia/presse/neun-monats-ergebnisse-2018.  Siehe dazu: Knut Unger: Der Konflikt mit der Vonovia spitzt sich zu. RLS Standpunkte, Februar 2019  https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Standpunkte/Standpunkte_03-2019.pdf

[ii] Siehe: 9-Monats-Bericht: VONOVIA intensiviert Abschöpfung der Mieter, MieterAKTIONärIn, 13. Nov. 2019, https://mieteraktionärin.de/9-monats-bericht-vonovia-intensiviert-abschoepfung-der-mieter

[iii] siehe:“Vonovia-Mieter halten Zahlungen zurück“, MieterInnenverein Witten, 20. Nov. 2019, https://www.mvwit.de/vonovia-mieter-halten-zahlungen-zurueck/

[iv] Es besteht rechtlich ein Anspruch auf Einsichtnahme in Originalbelege (s.u.a.  Langenberg in Schmidt-Futterer, 14. Aufl., § 556 BGB, Rn 482; Wall, Betriebs- u. Heizkostenkommentar, 4. Aufl, Rn 2148 ) Bei digitalisierter Auftragsabwicklung, kann man sich streiten, worin ein Originalbeleg besteht. Der Vermieter müsste im Zweifel Einsichtnahmen in die Daten des IT-Systems gewähren, die er sowieso auch für das Finanzamt vorhalten muss. (s. Bundesministerium für Finanzen, 28. Nov 2019: „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)“)  Zumindest zu wirksamen Verträgen müsste es in der Bochumer Konzernzentrale aber auch unterschriebene Originaldokumente gegen. Die Vonovia hat sich trotz vielfacher Aufforderung geweigert, diese vorzulegen. Auf manchen Vertragskopien, die sie dem MV Witten vorgelegt haben, fehlen überdies die Unterschriften.

[v]  In den Mieterhöhungen, die die Mieter erhielten. heißt es: „Im Rahmen der Modernisierungsmaßnahme wurden die angefallenen Architekten- und Ingenieurrechnungen rechtskonform nach der HOAI ermittelt.“ Weder diese Rechnungen, noch die dazu gehörigen Verträge konnte die Vonovia vorlegen.

[vi] Der einzige Nachweis, den die Vonovia vorlegte, sind Kostenaufstellungen der „Vonovia Kundenservice GmbH“ in denen pauschal Leistungen nach HOAI aufgeführt sind, ohne dass es irgendeinen Hinweis darauf gibt, welche Leistungsphasen erbracht und berechnet wurden. Die vom MieterInnenverein Witten als Beleg geforderte „prüffähige Schlussrechnung“, die ein eigenständiger Architekt anfertigen müsste, konnte die Vonovia bislang nicht präsentieren. Sie behauptet bei Nachfrage auch nicht, externe Architekten und Ingenieure beauftragt zu haben. Sie berechnet diese Kosten einfach fiktiv und argumentiert nicht einmal, warum das zulässig sein sollte.

[vii] Die Vonovia wird technisches Personal für die Maßnahmenplanung eingestellt haben. Sie weigert sich aber, die dafür tatsächlich angefallenen Personalkosten nachzuweisen. Da die Heizungs- und Fassadenmaßnahmen im hohen Maße standardisiert sind, sind die Kalkulationen nach HOAI sicherlich höher als die tatsächlich angefallenen Kosten.

[viii] Zum Beispiel werden bei den Modernisierungskosten für Heizungsanlagen nicht nur rein kalkulatorisch Baunebenkosten unter Berufung auf die Honorarordnung berechnet, sondern außerdem noch Kosten für energiewirtschaftfliche Berechnungen und vorbereitende Begehungen, die ebenfalls Baunebenkosten darstellen.

[ix] Nach einer uns vorliegenden Verwaltervollmacht war der Immobilienbesitz der Vonovia Anfang 2019 auf 186 bestandshaltende „Objektgesellschaften“ verteilt. Das sind rechtlich die eigentlichen Vermieter. Sie haben oft die gleichen Geschäftsführer wie die Holdinggesellschaften, aber meist kein eigenes Personal. Wirtschaftlich werden sie vom Konzern gesteuert. Die Bewirtschaftungs-Aufgaben des Vermieters wurden von 13 Servicegesellschaften erfüllt, in denen das Personal gebündelt ist, zum Beispiel die Kundenbetreuung in der „Vonovia Kundenservive GmbH“, die Hausmeister in der „Vonovia Immobilien Service GmbH“, die Gartenpflege in der „Vonovia Wohnumfeld Service GmbH“, die Handwerker in der „Deutsche TGS GmbH“. Die „Vonovia Modernisierungs GmbH“, erstellt die meisten „Rechnungen“ über die Baukosten bei der Modernisierung s. Alle diese Firmen sind 100 %ige Konzerntöchter, haben kaum Kapital und sind komplett in die operativen Abläufe des Konzerns integriert.

[x] Bei unserem Versuch der Rechnungsprüfung tauchte zum Beispiel eine bislang nicht aufgetretene „Vonovia Engineering GmbH“ auf. Eine bislang unbekannte „Vonovia Operations GmbH“ soll wesentliche Bauherrenfunktionen ausgefüllt haben. Zu ihr liegt aber für den Auftragszeitraum keine Vollmacht des Vermieters vor.

[xi] „kompletten“ fehlt im Originaltext. Ein Teil der Gewerke wirde auch mit Rechnungen externer Firmen belegt. Bei den Modernsierungen, die 2018/2019 abgeschlossen wurden, sind diese jedoch deutlich in der Minderzahl.

[xii] im Original „wichtiger“

[xiii] Seit etwa 2011 tauchten in Witten Nebenkostenpositionen für bei einer Konzerntochter angestellte „Objektbetreuer“ auf, die es vorher nicht gab. Es folgte die Berechnung von Kabelgebühren durch eine andere konzernangehörige Tochter. Später wurden für die Kosten der Gartenpflege, des Winterdienstes, der Hausreinigung, des Müllmanagements, die einst zum Teil von externen Firmen berechnet wurden, „Belege“ der konzernangehörigen „Vonovia Wohnumfeld GmbH“ vorgelegt. Inzwischen wird auch die Messung des Heizungsverbrauchs oder die Wartung von Wasserfiltern von Vonovia-Firmen berechnet. Und wenn man nicht aufpasst, schließt man mit dem Mietvertrag auch noch einen Stromlieferungsvertrag mit einer Vonovia-Tochter ab. Entsprechende Klauseln waren jedenfalls noch Ende 2018 in den Mietverträgen enthalten.

[xiv] „eventuell“ im mündlichen Original nicht enthalten

[xv] Dieser Fall liegt seit mehreren Jahren bei der Winterdienstabrechnung für eine Wohnanlage der Vonovia an der Westfalenstraße in Witten vor. Hier hat ein Mieter seit Jahren genau aufgeschrieben, wie viele Einsätze erfolgten. Auf die Aufforderung, die Einsätze zu belegen, übersandte die Vonovia „detaillierte Tätigkeitsnachweise“. Darin waren für die Wirtschaftseinheit die abgerechneten einzelnen Winterdiensteinsätze mit Datums- und Uhrzeitangaben aufgeführt. Die Diskrepanz zu den Mieteraufzeichnungen war gewaltig, Im Jahr 2015 wurden vier Einsätze beobachtet, aber 18 wurden abgerechnet. Im Jahr 2016 notierten die Mieter 1 Einsatz, abgerechnet wurden 44 Einsätze. Und im Jahr 2017 wurden von den Mietern fünf Einsätze bemerkt, die Vonovia verlangte Kosten für 35 Einsätze. Der Mieter überprüfte auch die Notwendigkeit der Winterdiensteinsätze anhand von lokalen Wetterdaten und musste feststellen, dass die meisten der nicht durchgeführten Einsätze auch nicht erforderlich gewesen wären. Es gab aber auch kalte Tage, da hätte der Dienst einen Sinn gemacht, aber es kam niemand. Über den Fall wurde im Spiegel und Im WDR berichtet. Zu einer Änderung führte das ebenso wenig wie eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Bochum.

[xvi] Dies geschah im Zuge der Belegprüfung durch den MieterInnenverein Witten für die Abrechnung 2017. Da wurde für die Westfalenstraße in Witten-Annen zum Beispiel ein Winterdiensteinsatz am 13.1.2017 um 11:05 h Uhr berechnet. Exakt zu dieser Minute soll aber auch der Winterdiensteinsatz in der Schulze-Delitzsch-Straße 23 in Witten-Heven stattgefunden hat, und auch der an der Raiffeisenstraße und weiteren Wirtschaftseinheiten in Heven. Und genauso verhält es sich auch bei den übrigen 29 Einsätzen, die in der ersten Jahreshälfte 2017 stattgefunden haben sollen. Immer ist der Winterdienst der Vonovia in unterschiedlichen Straßen und Stadtteilen exakt zur gleichen Stunde und Minute zur Stelle.

[xvii] Im Original hieß es kürzer “Da sieht man, dass…“.

[xviii] Im Original hieß es nur: „Das machen vielleicht andere.“ Tatsächlich mussten Mieter an anderen Standorten, zum Beispiel in Berlin, schon die Standardbelege der Vonovia vor Gericht einklagen. In Witten war dies in den letzten Jahren nicht der Fall. Es wurden irgendwann Unterlagen übersandt. Die Frage ist nur, was von diesen zu halten ist und ob sie vollständig sind.

[xix] D.h. die Prüfung der Richtigkeit der Nebenkostenabrechnung anhand der Originalbelege, auf deren Einsicht der Mieter einen Rechtsanspruch hat.

[xx] Bei den allermeisten Rechnungen handelt es sich um Ausdrucke, die vom hausinternen IT-System generiert werden. Die Vonovia kommt dem Einsichtsrecht „nahe“, aber nicht „nach“, weil sie bei den abgerechneten internen Kosten zwar überhaupt „Rechnungen“ vorlegt, aber eben nicht Rechnungen über die Kosten, die dem Konzern tatsächlich entstanden sind. Zum Beispiel gibt es für die Hausmeister („Objektbetreuer“) monatliche Kostenberechnungen und auf Nachfrage sogar „detaillierte Leistungsnachweise“ mit hunderten von aufgeführten Einzeleinsätzen, aber keinen Nachweis der Lohnkosten des Hauswartes, ja nicht einmal Verträge mit den Nachweisen der Preise für die einzelnen Einsätze, die angeblich konzernintern vereinbart sind.

[xxi] Die internen Rechnungen und Verträge könnten je nach Prüfbedarf erstellt, ausgedruckt und an die Mieter oder Mietervereinen verschickt werden. Nichts stellt sicher, dass diese Ausdrucke nicht je nach Bedarf manipuliert werden können. Da es keine Originale gibt, kann man das auch nicht überprüfen

[xxii] Im Original: „Fabrik von Beleganfertigern, der man auf die Schliche kommen muss.“ Es handelt sich in der Tat um strak standardisierte Textbausteine, Abläufe und Verfahren, wie sie auch in der Güterindustrie üblich wären. An der Anfertigung der Verträge und Rechnungen wirken in so einer Struktur Beschäftigte aus verschiedenen Abteilungen mit. Das heißt nicht, dass sie für deren Inhalt oder die Verfahren verantwortlich wären. Verantwortlich sind diejenigen, die die Standards und Verfahren festsetzen. Und das ist der Vorstand der Vonovia S.E..